Der erste Schritt meiner Beratungen beginnt immer mit der kritischen Analyse und die tut oft weh. Weil Fakten aber unumgänglich sind, um Ziele zu erreichen, gebe ich heute ein Beispiel, wie der Umgang mit Wahrheit in Unternehmen als wichtiger Erfolgsschlüssel sichtbar wird. In meinen Beratungsprozessen stellen Kund:innen früher oder später alle dieselbe Frage:„Wir tun viel Gutes, aber nehmen unsere Zielgruppen das auch 100% wahr und schätzen uns als glaubwürdig ein?”
Oft ist das der Augenblick der Wahrheit und statt um den heißen Brei herumzureden, antworte ich gern mit der Gegenfrage: “Wie deckungsgleich schätzt ihr denn die Selbst- und Fremdwahrnehmung eurer Marke ein?” Gerne häng ich dann noch einen fast moralischen Appell dazu: “Lügt euch jetzt am besten nicht selbst in die Tasche, sondern nutzt diesen Augenblick der Wahrheit!”
Was dann passiert, ist immer ein sehr besonderer Moment, der viel Aufschluss darüber gibt, wie das Unternehmen nach innen “tickt”! In kurzer Zeit sehe ich, wie diskussionsfreudig, divers, analytisch und ‑ja, ich nenne es jetzt mal frisch von der Leber weg- wie “professionell” die Marke geführt wird. Oder auch nicht. Last but not least zeigt sich hier auch, welchen Umgang mit “Wahrheit” die Organisation pflegt.
Im Grunde sind es hier zwei Themen, die ehrliche Antworten brauchen.
Erstens: Welche Versprechen gibt unsere Marke und hält sie die auch tatsächlich ein (Versprechen wir zu viel?!) Oder aber: Schafft unser Markenauftritt wirklich, all das Großartige zu vermitteln, was wir tatsächlich täglich leisten (Ist unsere Kommunikationsarbeit gut genug!?).
Bei manchen Teams folgen Minuten des Schweigens, die Teilnehmer:innen werden ruhig, spüren, worauf ich hinaus will und wie wertvoll der folgende, ehrliche Austausch sein kann.
Andere Teams hingegen können´s kaum erwarten, bis ich den Satz beendet habe und oft sind´s die Führungskräfte, die sofort das Wort ergreifen und erklären, dass alle Markenversprechen zu 100% stimmen, bevor sie dann jene ruhmreichen Markenattribute durch den Raum schleudern, die auf Social Media tagtäglich nach außen kommuniziert werden, dass es nur so schnalzt.
Nun bin ich es, die erstmal mit kurzem Schweigen antwortet, in die Runde blickt und wartet, was teamintern geschieht, denn soviel steht fest: 100 Prozent Übereinstimmung habe ich noch nicht erlebt, immer ist Luft nach oben und mindestens eine Person ist immer im Raum, deren Unrundsein spürbar wird. Wenn die Unternehmenskultur es zulässt, wird diese Person sich nun melden mit einem deutlichen “Ja, aber”. Wenn die Kommunikationsstrukturen diese Offenheit jedoch nicht zulassen, bleibt es ruhig und das große Hinterfrage ist jetzt meine Aufgabe.
Meine Empfehlung am Punkt:
Traut euch, zu sagen, wo ihr steht und wo ihr hinwollt! Macht eine ehrliche Innenschau, wie weit oder nicht weit euer Unternehmen ist. Nur so kann der Markenprozess gut und wirksam aufgesetzt werden. Vergleich das Ganze einfach mit der ersten Trainer:innenstunde im Gym: “Ja, alles super, bin topfit” und dann klappst du schon beim Aufwärmen am Crosstrainer zusammen! 🙂
Wenn wir uns im Analyseprozess um Markenwerte, Idealimage, Identität, Vision, Mission, Branding und so weiter kümmern, ist der Dreh- und Angelpunkt für mich zuerst immer die Innenschau. Wie “gut” läuft eigentlich die Kommunikation innerhalb eurer Organisation, wie “gut” lebt ihr eure Werte tatsächlich auch nach innen – kurz: wie stimmig wirkt euer nach außen transportiertes Markenimage eigentlich für eure Mitarbeiter:innen und wie professionell sind die internen Kommunikationsabläufe gestaltet und die ‑kanäle bespielt?
Traut euch zu, zu sagen wo ihr steht und wo ihr hinwollt! Macht eure Innenschau offen und ehrlich, alles andere ist Vergeudung wertvollster Zeitressourcen und bringt letztlich mehr Frustration als Erkenntnis. Vor allem seid euch eines gewiss: Lügen haben kurze Beine, euer Mitbewerb schläft nie und die Zielgruppen waren nie besser informiert als heute. Ehrlich währt in der Kommunikationsstrategie meist am längsten und das ist doch ein wunderbares Match zur Nachhaltigkeit – findest du nicht auch?
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